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Die Reform des Stiftungsrechts kommt

Lang herbeigesehnt und überfällig ist die anstehende Stiftungsrechtsreform. Nach dem – zu Recht – viel kritisierten Referentenentwurf vom 28.9.2020 liegt nun ein Regierungsentwurf (RegE) vor, der wichtige Korrekturen enthält.

Es bleiben jedoch noch immer viele Anliegen aus der Praxis unberücksichtigt. Nachfolgend ein erster Überblick.

1. In den neuen §§ 80 bis 88 BGB-RegE sollen wesentliche Bestimmungen (ua. zum Namen, Sitz, Vermögen, zu Rechten und Pflichten der Organmitglieder,  Satzungsänderungen sowie zur Beendigung der Stiftung) bundeseinheitlich und abschließend geregelt werden. Derzeit haben die Bundesländer hierzu eigene Regelungen geschaffen, die teilweise deutlich voneinander abweichen. Dementsprechend hat sich auch eine unterschiedliche Anerkennungs- und Aufsichtspraxis der jeweiligen Landesbehörden herausgebildet. 

2. Neben der dringend gebotenen Vereinheitlichung des Rechts sind die wichtigsten Änderungen der geplanten Reform die Einführung eines Stiftungsregisters, die Reduzierung des Haftungsrisikos für Organmitglieder, die Grundsätze zur Zusammensetzung und Erhalt des Stiftungsvermögens und die Regelungen zu Satzungsänderungen und Aufhebungen von Stiftungen.

3. Bisher werden rechtsfähige Stiftungen nur in ländereigenen Stiftungsverzeichnissen und die wirtschaftliche Berechtigung im bundesweiten Transparenzregister eingetragen. Um ihre Vertretungsberechtigung gegenüber Dritten nachzuweisen, mussten Organmitglieder der Stiftung behördliche Vertretungsbescheinigungen einholen. Hier soll nun ein einheitliches, vom Bundesjustizministerium zentral geführtes Stiftungsregister Transparenz schaffen und das rechtsgeschäftliche Handeln mit Stiftungen erleichtern. In dem Register mit negativer Publizitätswirkung müssen Stiftungen ihre Vorstandsmitglieder und sonstige Vertretungsberechtigte sowie deren konkrete Vertretungsmacht eintragen.

4. Nach erfolgter Eintragung in das Register hat die Stiftung einen Namenszusatz zu führen, entweder "eingetragene Stiftung" oder als Abkürzung "e.S.". Verbrauchsstiftungen sollen gesondert durch den Zusatz "eingetragene Verbrauchsstiftung" oder die Abkürzung "e.VS." gekennzeichnet werden.

5. Das Haftungsrisiko für Stiftungsorgane soll mit der Einführung der Business Judgement Rule reduziert werden. Demnach liegt eine Pflichtverletzung des Organmitglieds nicht vor, wenn es bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Zudem soll die Beweislastumkehr des § 280 BGB im Verhältnis zwischen Organmitglied und Stiftung nicht gelten, dh. im Falle eines Schadens muss die Stiftung selbst darlegen und beweisen, dass auch ein Verschulden des Organmitglieds vorliegt.

6. Beim Stiftungsvermögen unterscheidet der Reformentwurf zwischen dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen. Das Grundstockvermögen setzt sich zusammen aus dem bei der Errichtung der Stiftung gewidmeten Vermögen, späteren Zustiftungen und dem sonstigen Vermögen, das von der Stiftung zum Grundstockvermögen bestimmt wurde. Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Es darf aber umgeschichtet und Umschichtungsgewinne zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden.

7. Mit Absicht offen lässt der Gesetzesentwurf, ob sich die Verpflichtung zur ungeschmälerten Vermögenserhaltung auf den Real- oder den Nominalwert des Grundstockvermögens bezieht. Dies soll für jede Stiftung individuell unter Berücksichtigung des Stifterwillens entschieden werden.

8. Satzungsänderungen sollen zukünftig in drei verschiedenen Kategorien mit steigenden Zulässigkeitsanforderungen beurteilt werden: Nicht prägende Satzungsänderungen, prägende Satzungsänderungen und Änderungen des Stiftungszwecks. Ergänzend sieht das Gesetz einen Vorrang der organschaftlichen Änderung gegenüber der behördlichen Anordnung vor.

9. Die Beendigung, Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen ist bisher im BGB nur unbefriedigend geregelt. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und der Corona-Pandemie hat sich die schwierige Ertragslage verschärft. Stiftungen sollen daher zukünftig leichter anderen Stiftungen zugelegt, zusammengelegt, aufgelöst oder von einer dauerhaften Stiftung in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden können. Zu hoffen ist, dass hierdurch mehr Gestaltungssicherheit geschaffen wird. In der Praxis sind viele bisherige Zulegungs- und Zusammenlegungsvorhaben noch am Widerstand der Stiftungsbehörden gescheitert. Hier erscheint nun ein Silberstreif am Horizont.

10. Der Regierungsentwurf verschiebt das Inkrafttreten der Reform auf den 1.7.2022. Das Stiftungsregister soll fünf Jahre später eingeführt werden. Übergangsregelungen sind (noch) nicht vorgesehen.

11. Handlungsbedarf enthält der Entwurf für inländische Stiftungen, die ihre Verwaltung aus dem Ausland führen. In Deutschland errichtete Stiftungen sollen zukünftig zwingend aus dem Inland zu führen sein. Wird den entsprechenden Aufforderungen der Stiftungsbehörde nicht nachgekommen, droht die Aufhebung.

12. Ob das Reformvorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl bleibt wenig Zeit und die Politik ist weiterhin mit der Pandemie beschäftigt. Da der Entwurf zu großen Teilen auf einem Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht beruht, ist aber einer Prognose angebracht: Die Reform kommt. Zu hoffen bleibt, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren dennoch Qualität vor Zeit geht - insbesondere der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat zu Recht weitergehenden Reformbedarf angemeldet. 

13. Für die Stiftungsberatung gibt der Regierungsentwurf Anlass, bestehende Satzungsregelungen zu überprüfen und die bevorstehende Reform bereits bei der Neugründung mit einzubeziehen. Zu prüfen ist auch, ob Satzungsänderungen vor oder nach Inkrafttreten der Reform umgesetzt werden sollten. Spätestens aber nach der gesetzlichen Verabschiedung wartet sowohl auf Berater als auch die Stiftungsbehörden reichlich Arbeit. 

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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