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Das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG)

Mit Wirkung zum 2.4.2021 ist weitestgehend unbemerkt das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG) in Kraft getreten. Das ZFdG regelt die Aufgaben und die Befugnisse der Zollfahndungsdienste auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Im praxisrelevanten Teil der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs kommt dem Zollkriminalamt auch die Aufgabe der Aufdeckung unbekannter Straftaten zu.

Im ersten Teil des Gesetzes werden die Organisationen und Aufgaben des Zollfahndungsdienstes bestehend aus dem Zollkriminalamt und den Zollfahndungsämtern geregelt. Das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter nehmen die ihnen durch weitere Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse als Behörden des Zollfahndungsdienstes wahr. 

Die Regelungen zur Datenerhebung, Datenverarbeitung und Datenübermittlung wurden systematisiert und aufeinander abgestimmt. Damit werden die Richtlinie 2016/680 vom 24.4.2016 sowie die Vorgaben des Urteils des BVerfG vom 20.4.2016 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 in welchem das BKAG in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde, umgesetzt.

Das ZFdG orientiert sich dennoch in weiten Teilen auch an dem (umstrittenen) Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) und beinhaltet neben Regelungen zur Datenverarbeitung (§§ 8 bis 20, 26 bis 38 ZfdG) und zum Datenaustausch eine Vielzahl an allgemeinen (§§ 39ff. ZfdG) und besonderen Gefahrenabwehrmaßnahmen (§§ 47ff ZfdG).

Allgemeine Regeln der Gefahrenabwehr
Die Regelungen zur präventiven Sicherstellung von Sachen zur Abwehr einer Gefahr sind in den §§ 40 bis 46 ZFdG geregelt. Neu aufgenommen wurde eine präventive Berechtigung zur Durchsuchung von Personen und Sachen in den §§ 44, 45 ZFdG, sowie das Recht zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen (auch zur Nachtzeit) nach § 46 ZFdG, ähnlich der Regelung in § 61 Abs. 2 BKAG.
Hervorzuheben ist, dass präventive Sicherstellungen nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr zulässig sind. 

Auch die Befragunge und Auskunftspflicht von Dritten wurde auf eine neue Grundlage gestellt (§ 29 ZFdG iVm. § 9 ZFdG). Erforderlich ist jedoch, dass Tatsachen vorliegen, aus welchen der Schluss gezogen werden kann, dass die Person Kenntnis von einem Sachverhalt oder einer Person hat, die für die Zollfahndungsdienste und deren Aufgabenerfüllung von Bedeutung ist. Die ungezielte Befragung ohne konkreten Anlass oder eine allgemeine Ausforschung ist unzulässig. Die Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsverweigerungsrechte der §§ 52 bis 55 StPO sind zu beachten. Hervorhebenswert ist, dass die Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte keine Geltung beanspruchen sollen, wenn die Auskunft zur Abwehr der Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut erforderlich ist. In dem Falle soll eine Güterabwägung dazu führen, dass die Privilegierungen aus den §§ 52 bis 55 gegenüber der Abwehr einer Gefahr in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen zurücktreten. Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände sind hierbei ausgenommen.

§ 9 Abs. 3 Satz 5 ZFdG normiert, dass die so erlangten Auskünfte der entsprechenden Zweckbindung der Gefahrenabwehr unterliegen. Dies soll sicherstellen, dass die Auskunft nur zur Abwehr der Gefahr für die entsprechenden hochrangigen Rechtsgüter verwendet werden darf. In der Praxis bleibt abzuwarten, inwiefern die so erlangten Kenntnisse zur Einleitung eines Strafverfahrens und zur Beantragung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen herangezogen werden können, bzw. welche Konsequenzen sich im Hinblick auf die unter Verstoß gegen das Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht erlangten Informationen ergeben, sprich ob eine Fernwirkung anzunehmen ist.

Zu beachten ist, dass § 34 ZFdG nun regelt, dass die Zollfahndungsdienste eingehende Telefonate aufzeichnen und speichern dürfen, um die in den Gesprächen getätigten Aussagen überprüfen zu können. 

Besondere Regeln der Gefahrenabwehr
Die besonderen Regelungen des ZFdG haben es teils in sich. So wird beispielsweise in den §§ 47-51 ZFdG ua der präventive Einsatz verdeckter Ermittler neu geregelt. Die Anforderungen an die zutreffende Prognoseentscheidung hinsichtlich der Gefahrenlage für verdeckte Maßnahmen wurden insgesamt neu gefasst. Begrüßenswerter Weise bedarf es nun einer auf bestimmten Tatsachen beruhenden Prognose, wo bislang der allgemeine Erfahrungsschatz genügte, was eine konkrete Gefahr betrifft. Erforderlich ist, dass insoweit ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist. § 48 ZFdG setzt hierbei den durch das BVerfG postulierten Richtervorbehalt und entsprechende Antragsbegründung um. 

Neu geregelt wurde auch, dass eine weitere Nutzung präventiv erhobener Daten zulässig ist, dh. diese können auch im späteren Ermittlungsverfahren Verwendung finden, wenn es sich um eine Verwendung der Daten durch dieselbe Behörde zur Wahrnehmung derselben Aufgaben und zum Schutz derselben Rechtsgüter handelt. Jedoch ist eine darüber hinausgehende Verwendung möglich (sog. Zweckänderung), welche sich am Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung zu orientieren hat. Für den Fall einer Verwendung der Daten durch andere Behörden muss die Verwendung den Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten eines solchen Gewichts dienen, dass verfassungsrechtlich eine Neuerhebung mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln gerechtfertigt wäre (§ 8 Abs. 3, § 26 Abs. 2 und 3 § 27 ZFdG). An dieser Stelle wird es zu erheblichen Diskussionen kommen.

Neu geregelt und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde in § 69 ZFdG die Zusammenarbeit des Zollfahndungsdienstes mit den Steuerfahndungen der Landesfinanzverwaltung und den Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder. Hervorhebenswert ist insoweit die Regelung des § 69 Abs. 2 ZFdG, wonach Polizeivollzugsbeamte oder Beamte der Steuerfahndung unter den normierten Voraussetzungen die gleichen Befugnisse wie Beamte des Zollfahndungsdienstes haben können. Daneben sind im neuen ZFdG an zahlreichen Stellen die Befugnisse zur Übermittlung von Informationen der Behörden untereinander normiert. 

Weitreichende Ergänzungen haben auch die Regelungen zur Überwachung der Telekommunikation in den §§ 72 bis 80 ZfDG zur Gefahrenabwehr im Außenwirtschaftsrecht erfahren. Was den Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger betrifft, insbesondere Strafverteidiger, enthält § 82 ZFdG eine an § 160a StPO angelehnte Regelung.
Ebenfalls neu geregelt wurde in § 106 ZFdG die Aufnahme einer Bußgeldvorschrift bei Verstößen im Zusammenhang mit der Befragung und der Auskunftspflicht. 

Fazit
Weitestgehend unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung wurden vor allem die Rechte des Zollfahndungsdienstes im präventiven Bereich erheblich gestärkt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass bereits jetzt eine Vielzahl großer Ermittlungsverfahren durch den Zoll, die Polizei und die Steuerfahndung gemeinsam geführt werden, zeitigt die Neufassung des ZFdG für die Praxis erhebliche Konsequenzen und stellt eine neuerliche massive Stärkung des Zolls in seinen Befugnissen dar. 

Ganz aktuell ist eine erhebliche Zunahme an Verfahren festzustellen, in denen der Zoll die falsche Eintarifierung von Waren, vorzugsweise durch Online Händler, moniert. Dabei wierden immer häufiger die Verwendung falscher Zolltarifnummern als unrichtige Angaben im Sinne des Tatbestands der Steuerhinterziehung gewertet, was zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens berechtigt.

Dr. Herbert Olgemöller
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Sebastian Peters
Rechtsanwalt
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