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BGH in Zivilsachen zum Beihilfevorsatz von Steuerberater:innen
In steuer- und wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren rücken gelegentlich auch Steuerberater:innen von Beschuldigten in den Fokus der Ermittlungsbehörden. Steuerliche Beratungsleistungen können eine strafbare Beihilfe darstellen. Dies hängt nach der Rechtsprechung von einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall ab. Der BGH urteilte kürzlich zur subjektiven Tatseite bei berufstypischen Handlungen im Bereich der Steuerberatung und Buchführung in einer Zivilrechtsstreitigkeit (BGH vom 7.11.2024 III ZR 79/23, juris) und liegt auf der Linie der hierzu bereits ergangenen strafgerichtlichen Rechtsprechung.
I. Sachverhalt (verkürzt)
Der III. Zivilsenat des BGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Steuerberaterin und Buchhalterin einer GmbH ua. aus unerlaubter Handlung wegen Beihilfe zum Betrug im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit haftet. Der Geschäftsbetrieb der GmbH war fingiert. Kapitalanleger der GmbH wurden mithilfe eines Schneeballsystems bezahlt. Die Gesellschaft blieb hinter diesbezüglichen Zahlungsverpflichtungen zurück. Die Kläger machten geltend, dass die Beklagte als Steuerberaterin und Buchhalterin („Head of Finance“) sowie als Ehefrau eines Geschäftsführers in das Betrugssystem eingebunden gewesen sei. Das Berufungsgericht urteilte, dass der Steuerberaterin keine Kenntnis des betrügerischeren Handels der Geschäftsführung nachgewiesen werden konnte und bestätigte damit die Klageabweisung der Vorinstanz. Der III. Zivilsenat des BGH hob das Urteil unter Zugrundelegung der strafrechtlichen Rechtsprechung zur Beihilfe bei berufstypischen Tätigkeiten auf.
II. Grundsätze der Strafrechtsprechung zum Beihilfevorsatz von Steuerberater:innen
In Strafsachen differenziert der BGH bei berufstypischen, äußerlich neutralen Handlungen auf der subjektiven Tatseite zwischen zwei Fallgruppen (st. Rspr. des BGH in Strafsachen, zur Beihilfe eines Steuerberaters zur Steuerhinterziehung zB BGH vom 21.8.2014 1 StR 13/14, NStZ-RR 2014, 316):
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. Sein Tun verliert in diesem Fall stets den „Alltagscharakter“ (Fallgruppe 1).
Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. Etwas anderes gilt, wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des Unterstützten derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters „angelegen“ sein ließ (Fallgruppe 2).
III. Entscheidung
Der III. Zivilsenat des BGH begründete die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils ua. mit einer unzureichenden Auseinandersetzung mit beiden Fallgruppen. Durch ihre Tätigkeit als Steuerberaterin und Buchhalterin habe sie die fingierte Geschäftstätigkeit der GmbH und den Taterfolg iSd. § 263 StGB unstreitig objektiv gefördert. Das Berufungsgericht habe sich auf subjektiver Ebene allerdings unzureichend allein mit der Frage der positiven Kenntnis der Beklagten hinsichtlich des Schneeballsystems – dh. mit der Fallgruppe 1 – befasst. Es habe sich jedoch die Frage aufgedrängt, ob die Beklagte angesichts einer Vielzahl von Belastungsindizien ein betrügerisches Schneeballsystem für sehr wahrscheinlich oder jedenfalls überwiegend wahrscheinlich hielt. Im Rahmen einer gebotenen Gesamtbetrachtung seien insoweit als Indizien ua. ein im Strafverfahren erfolgtes Geständnis der Beklagten, die in der Buchhaltung ersichtlichen typischen Zahlungsströme eines Schneeballsystems, Barauszahlungen in Millionenhöhe und das Näheverhältnis zu einem Mitgeschäftsführer zu würdigen gewesen.
IV. Einordnung
Die Entscheidungsgründe zum Vorliegen des objektiven Gehilfenbeitrags fallen denkbar kurz aus. Diese begnügen sich mit dem Hinweis auf die Tätigkeit als Steuerberaterin und Buchhalterin, ohne konkret relevante Förderbeiträge zu benennen. Hinsichtlich der Würdigung des Beihilfevorsatzes bei berufstypischem Handeln sieht der III. Zivilsenat Mängel der Vorinstanz. Diese wird in einem zweiten Rechtsgang anhand der vorliegenden Indizien zu klären haben, ob und ggf. inwieweit sich die Beklagte das Risiko eines strafbaren Verhaltens der Geschäftsführer „angelegen sein“ ließ.
Die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH zeigt, dass die Verteidigung mit fehlendem Beihilfevorsatz bei berufsneutralem Verhalten nicht nur in der klassischen Konstellation der Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Strafverfahren relevant ist, sondern auch im Gewand einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung oder bei anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Delikten, wie dem Betrug, Bedeutung erlangen kann.