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Betriebsaufspaltung durch häusliches Arbeitszimmer

Auch bei gemischt genutzten Räumen?

Werden unternehmerische Tätigkeiten von „zu Hause“ ausgeführt, so birgt dies in bestimmten Konstellationen das Risiko einer Betriebsaufspaltung. Wir beobachten, dass Betriebsprüfungen vermehrt Arbeitszimmer in privaten Wohnhäusern in den Blick nehmen. Besonders problematisch ist, dass dazu in letzter Zeit auch Räume aufgegriffen werden, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden. Wir zeigen im Folgenden warum.

 

I. Voraussetzungen und Folgen der Betriebsaufspaltung


Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn zwischen einem Besitz- und einem Betriebsunternehmen sowohl eine sachliche als auch eine personelle Verflechtung besteht (STRECK/BINNEWIES in Streck, KStG, 10. Aufl., 2021, Beratungs-ABC „Betriebsaufspaltung“ mwN). 

  • Eine sachliche Verflechtung setzt voraus, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlässt. 
  • Eine personelle Verflechtung besteht, wenn eine Person oder Personengruppe in beiden Unternehmen ihren geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann.

Ein klassischer Anwendungsfall der Betriebsaufspaltung ist der Alleingesellschafter einer GmbH, der dem Unternehmen ein funktional wesentliches Wirtschaftsgut überlässt. In diesem Fall werden durch die Überlassung des Wirtschaftsguts (dem „Besitzunternehmen“) gewerbliche Einkünfte erzielt. Das überlassene Wirtschaftsgut stellt Betriebsvermögen dar. Viel wichtiger, wenngleich häufig übersehen: Auch der Anteil am Betriebsunternehmen wird Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Unbedingt zu vermeiden ist, dass die Betriebsaufspaltung ungewollt beendet wird. In diesem Falle sind die stillen Reserven im Besitzunternehmen zu versteuern, mithin auch die stillen Reserven im Anteil am Betriebsunternehmen.

 

II. „Arbeitszimmer“ als wesentliche Betriebsgrundlage

Allgemein stellt ein Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (vgl. BFH vom 19.3.2002 VIII R 57/99, BStBl. II 2002, 662, mwN). 
Im Hinblick auf Büroräume in privaten Wohnhäusern hat der BFH inzwischen spezielle Kriterien formuliert. Ein solcher Raum stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn sich dort der Mittelpunkt der Geschäftsleitung der Betriebs-Kapitalgesellschaft befindet (vgl. BFH vom 13.7.2006 IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804). Die in dem Raum ausgeübten Tätigkeiten müssen dabei einen nicht nur unbedeutenden Teil des Tagesgeschäfts der Geschäftsleitung ausmachen und dürften sich nicht auf gelegentliche Hilfstätigkeiten beschränken (vgl. BFH vom 29.7.2015 IV R 16/13, BFH/NV 2016, 19).
Ob vorgenannte Kriterien erfüllt sind, ist Wertungsfrage und – vor allem – eine Frage des Einzelfalls. Es ist eine genaue Analyse und Bewertung der betrieblichen Tätigkeiten erforderlich. Das gilt sowohl für den Steuerstreit als auch für die Steuerplanung. 

  • Zu kurz greift es jedenfalls, wenn die Finanzverwaltung allein vom Unternehmenssitz auf eine wesentliche Betriebsgrundlage schließt. Liegt der Unternehmenssitz am Wohnort des Steuerpflichtigen, so hat dies lediglich indizielle Wirkung (BFH IV R 16/13, aaO).
  • Es ist außerdem sinnvoll zu prüfen, ob eine lediglich vorübergehende Nutzung vorliegt oder die Grenzen des § 8 EStDV unterschritten werden. Für beide Fälle hat der BFH angedeutet – wenngleich am Ende offengelassen –, dass ein Büroraum von nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung für das Betriebsunternehmen ist (vgl. BFH vom 19.3.2009 IV R 78/06, BStBl. II 2009, 803; vom 13.7.2006 IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804).

 

III. Gemischt genutzte „Arbeitszimmer“

Mitunter greift die Betriebsprüfung Räume auf, die sowohl geschäftlich als auch privat genutzt werden. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist sicherlich, dass die Prüfungszeiträume mittlerweile auch die Jahre der COVID-19-Pandemie umfassen. Während der Pandemie haben viele Unternehmer ihre Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt. Die Grenzen zwischen privater und beruflicher Nutzung verschwammen.
Zur Thematik existiert keine Rechtsprechung. Der BFH hat bislang lediglich zu solchen Büroräumen entschieden, die ausschließlich betrieblich genutzt werden (BFH vom 13.12.2005 XI R 45/04, BFH/NV 2006, 1453; vom 3.7.2006 IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804; vom 29.7.2015 IV R 16/13, BFH/NV 2016, 19). 
Wir halten dieses Vorgehen für falsch. Ein gemischt genutztes „Arbeitszimmer“ stellt keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Ua. sprechen hierfür die folgenden Erwägungen:

  • Die bloße Mitnutzung eines Raums ist mit dem Begriff der „funktional wesentlichen Betriebsgrundlage“ nicht zu vereinbaren. Hier kann eine Parallele zur Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Zusammenhang häuslichen Arbeitszimmern gezogen werden. Allein der Begriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ setzt einen Raum voraus, der ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird (BFH vom 27.7.2015 GrS 1/14, BStBl. II 2016, 265, Rz. 67). Erst recht impliziert eine „wesentliche Betriebsgrundlage“, dass sie ausschließlich betrieblich genutzt wird.
  • Betrachtete man eine private Mitnutzung als unschädlich, so führte dies zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass zwar das Arbeitszimmer Betriebsvermögen darstellt, die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen jedoch nicht abziehbar sind (MICKER/SCHWARZ, FR 2018, 765, 766 f.).
  • Im Falle einer gar überwiegenden Privatnutzung können zusätzlich die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze zur Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatvermögen gegen eine „wesentliche Betriebsgrundlage“ sprechen. Wenn das Wirtschaftsgut schon nach diesen Grundsätzen kein Betriebsvermögen darstellt, so liegt erst recht keine wesentliche Betriebsgrundlage vor (vgl. BFH vom 10.10.2017 X R 1/16, BStBl. II 2018, 181; vom 14.8.2014 IV R 56/11, BFH/NV 2015, 317).

 

IV. Praxishinweise


Erscheint eine Betriebsaufspaltung möglich, so sollte der Steuerpflichtige zwei Dinge berücksichtigen:

  • Der bisherige Zustand sollte unbedingt beibehalten werden. Das bedeutet: Keine personellen Veränderungen im (potentiellen) Besitz- und Betriebsunternehmen. Das Wirtschaftsgut sollte weiter überlassen und wie gehabt genutzt werden. Anderenfalls droht die ungewollte Beendigung der Betriebsaufspaltung mit der Folge, dass die stillen Reserven zu versteuern sind (siehe oben).

  • Es sollte die Hilfe durch einen Berater in Anspruch genommen werden. Je nach Sachverhalt und Verfahrensstand kommen unterschiedliche Maßnahmen in Betracht. Diese reichen von einem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft über den Steuerstreit bis hin zu einer Umstrukturierung. Durch eine Umstrukturierung kann sichergestellt werden, dass der Anteil am Betriebsunternehmen im Betriebsvermögen verbleibt und nicht ungewollt zu versteuern ist. Auch hier können sich im Falle von Arbeitszimmern Besonderheiten ergeben.

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Markus Surmann
Rechtsanwalt
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