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Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer bei Kündigung
Die Einkünfte grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer sind zum Zwecke der Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Tätigkeitsstaat abzugrenzen. Nach Maßgaben von Art. 15 Abs. 1 des OECD-MA können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Es gilt das Tätigkeitsortprinzip.
Entscheidend für das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates ist, ob die Vergütung für eine dort ausgeübte Tätigkeit gewährt wird. Das ist ua. problematisch, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt und der Arbeitnehmer bis zur Beendigung nicht mehr aktiv tätig wird, jedoch noch Freistellungsgehälter bezieht. Abgrenzungsschwierigkeiten stellen sich auch bei Abfindungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
I. Aktuelle Rechtsprechung
Die Rechtsprechung ordnet das Besteuerungsrecht sowohl für Abfindungen als auch für Freistellungsgehälter dem Ansässigkeitsstaat zu. Das bestätigte der BFH im jüngst veröffentlichten Urteil vom 1.8.2024 für das Streitjahr 2016 (VI R 23/22): Der Kläger, ein in Deutschland ansässiger Außendienstmitarbeiter eines Schweizer Unternehmens, wurde nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im April 2016 (Streitjahr) mit sofortiger Wirkung freigestellt. Das Arbeitsverhältnis lief bis zum 31.10.2016 weiter. Während der Freistellung erhielt der Kläger laufende Gehaltszahlungen sowie eine Abfindung. Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz wird das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit dem Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland) zugeordnet, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Vertragsstaat (hier: Schweiz) ausgeübt. Soweit das Besteuerungsrecht der Schweiz als Tätigkeitsstaat zusteht, stellt Deutschland die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt frei.
- Da der Kläger nach der Kündigung keine aktive Tätigkeit in der Schweiz ausübte, ordnete der BFH das Besteuerungsrecht für das in der Freistellungsphase bezogene Gehalt Deutschland zu.
- Auch die Abfindung sei vollständig in Deutschland zu besteuern. Die Abfindung werde nicht für eine konkrete im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Konsultationsvereinbarung zum DBA-Schweiz vom 25.3.2010 (BStBl. I 2010, 268) das Besteuerungsrecht bei Abfindungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zeitanteilig aufzuteilen ist. Die Konsultationsvereinbarung sei (ist) vom Wortlaut des Abkommens nicht gedeckt.
II. Rechtslage ab 2017 – Treaty Override für Abfindungen
Für Jahre ab 2017 gilt § 50d Abs. 12 EStG. Danach gelten Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines DBA als für eine frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Das gilt vorbehaltlich abweichender Sonderregelungen im jeweiligen Abkommen.
Zur Bestimmung des Besteuerungsrechts des Tätigkeitsstaates muss die Abfindung durch die Gesamtzahl der Arbeitstage im Beobachtungszeitraum dividiert und der Quotient mit der Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage im Tätigkeitsstaat multipliziert werden. Die Finanzverwaltung stellt als Beobachtungszeitraum grundsätzlich auf die gesamte Beschäftigungszeit ab (BMF vom 12.12.2023, BStBl. I 2023, 2179 Rn. 257).
Erhält eine in Deutschland nicht ansässige Person anlässlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, unterliegt diese gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG der beschränkten Steuerpflicht, soweit die Einkünfte für die zuvor ausgeübte Tätigkeit der inländischen Besteuerung unterlagen.
III. Entwurf JStG 2024 – Treaty Override für Freistellungsgehälter
An vergleichbaren Regelungen für Freistellungsgehälter fehlt es bislang. Das soll sich durch das Jahressteuergesetz 2024 (BT-Drs. 20/13419) ändern. Hierzu soll § 50d EStG um einen 15. Absatz erweitert werden. Danach soll der Arbeitslohn, der für Zeiten einer widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, für DBA-Zwecke als Vergütung gelten, die für die Ausübung einer Tätigkeit in dem Staat gewährt wird, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Es ist eine hypothetische Betrachtung vorzunehmen.
Parallel sollen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die für Zeiten der Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden, nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f. EStG-E künftig der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, soweit ohne die Freistellung die Arbeit während dieser Zeiten im Inland ausgeübt worden wäre.
Mit der Neuregelung soll das deutsche Rechtsverständnis an die Sichtweise der OECD angepasst werden, Verständigungsverfahren vermieden werden und die Gefahr von Doppel- oder Nichtbesteuerung verringert werden (BT-Drs. 20/12780, S. 128).
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