Der Zehnt Aktuell

Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.

Newsletter abonnieren >

 

Besteuerung der öffentlichen Hand

Neues vom BFH

In zwei Entscheidungen äußert sich der BFH zur Verlustnutzung der öffentlichen Hand.

Körperschaften öffentlichen Rechts sind bedeutende wirtschaftliche Akteure. Oftmals erfüllen sie Aufgaben der Daseinsvorsorge. Doch damit lässt sich nicht immer Geld verdienen. Die Verluste würden die Körperschaften dann gerne steuerlich „nutzen“ – da fängt der Ärger mit dem Finanzamt an. 

In zwei aktuellen Entscheidungen tendiert der BFH dazu, es den Körperschaften öffentlichen Rechts noch schwerer zu machen.


Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art (BFH vom 31.1.2024 V R 43/21)

Betriebe gewerblicher Art (BgA) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG). Wenn ein BgA Verluste erzielt, würde die jPöR diese gerne mit Gewinnen aus einem anderen BgA verrechnen.

Die Rechtsprechung hat dem schon lange Grenzen gesetzt, die der Gesetzgeber mittlerweile in § 4 Abs. 6 KStG kodifiziert hat – die sog. Zusammenfassung von BgA.

Hierzu ist das Revisionsverfahren V R 43/21 vor dem BFH anhängig. Mit Beschluss vom 31.1.2024 hat der V. Senat das BMF aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO), um sich zu den Streitfragen zu äußern. Der BFH äußert im Beschluss Zweifel an der großzügigen Handhabung der Finanzverwaltung.


Erste Frage: Setzt eine Zusammenfassung eine organisatorische Verflechtung voraus – oder nur eine Steuererklärung?

Gem. § 4 Abs. 6 KStG kann ein BgA mit einem oder mehreren anderen Betrieben gewerblicher Art zusammengefasst werden, wenn 1. sie gleichartig sind, oder 2. zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder 3. Versorgungsbetriebe iSd § 4 Abs. 3 KStG vorliegen.

Die Rechtsprechung vor Einführung von § 4 Abs. 6 KStG hat zur Zusammenfassung gleichartiger BgA und von Versorgungs-BgA zudem eine organisatorische Verflechtung, also eine objektive organisatorische Verbindung der Betriebe, gefordert. Die Finanzverwaltung (BMF vom 12.11.2009 IV C 7-S 2706/08/10004, BStBl. I 2009, 1303, Tz. 1) und Teile des Schrifttums verzichten nunmehr darauf. Sie nehmen ein steuerliches Wahlrecht an. Dieses kann durch die Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung und die Führung einer gemeinsamen Gewinnermittlung für die Betriebe ausgeübt werden.

Der BFH bezeichnet diese Auffassung als zweifelhaft. Er scheint der Literaturmeinung zuzuneigen, die eine solche niedrigschwellige Zusammenfassung als „willkürlich“ (MÄRTENS in Gosch, KStG (4. Auflage 2020), § 4 Rn. 118a) verwirft. Der BFH erwägt daher, ob er die Voraussetzung der organisatorischen Verflechtung in das Tatbestandsmerkmal „Zusammenfassung“ hineinliest.


Zweite Frage: Wie können mehr als zwei BgA zusammengefasst werden?

Im Streitfall gibt es drei BgA. Der Erste kann mit dem Zweiten zusammengefasst werden, und der Zweite mit dem dritten – aber der Dritte nicht mit dem Ersten. Das FG sah darin kein Problem, wie auch die Verwaltung. Es hat argumentiert, dass der erste mit dem zweiten BgA zusammengefasst werden könnte. Dann könne der zusammengefasste BgA mit dem dritten BgA zusammengefasst werden; es genüge, dass die Zusammenfassung mit einem der zusammengefassten Betriebe möglich ist. Diese Methode wird als „Kettenzusammenfassung“ bezeichnet.

Der BFH äußert auch daran Zweifel. Mit dieser Methode können Betriebe zusammengefasst werden, die in einem einzigen Schritt nicht zusammengefasst werden könnten. Der BFH erwägt daher, dass für die Zusammenfassung des Dritten BgA die Voraussetzungen zum Ersten und Zweiten erfüllt sein müssen.


Zur sog. Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG (BFH vom 14.3.2024 V R 51/20)

Mit Urteil vom 14.3.2024 V R 51/20 äußerte sich der BFH zur sog. Spartenrechnung. Diese findet ihre Grundlage in § 8 Abs. 7, 9 KStG und ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf den BFH.


Das Grundproblem: Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Verlustgesellschaften

Der BFH hatte 2007 – vereinfacht – mit einer kommunalen GmbH zu tun. Die GmbH erfüllte Aufgaben der Kommune und machte damit dauerhaft Verluste. Der BFH nahm eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an: Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich prinzipiell auch die Eigengesellschaft einer Gemeinde messen lassen muss, würde nicht bereit sein, eine fortdauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich ihrem Gesellschafter obliegen (BFH vom 22.8.2007 I R 32/06, BStBl. II 2007, 961).

Die Kommunen waren empört, der Gesetzgeber wollte abhelfen – aber nicht zu viel: Er schloss die vGA aus, aber nur für bestimmte Tätigkeiten (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KStG). Bei Kapitalgesellschaften ist nach Maßgabe von § 8 Abs. 9 KStG eine penible Abgrenzung der Tätigkeiten vorzunehmen; diese sind dann wiederum auf sog. Sparten aufzuteilen, die steuern, inwiefern Verluste eine vGA auslösen.

Das Ergebnis ist kompliziert: eine mehrfache Gewinnermittlung mit mehreren Steuerbescheiden nach Maßgabe von § 8 Abs. 9 Sätze 2 ff KStG. Im Streitfall tat sich auch das FG damit schwer.

 

BFH: § 8 Abs. 9 Satz 3 KStG eng auszulegen

Im Streitfall ging es dann im Kern um die intertemporale Verlustverrechnung. Gem. § 8 Abs. 9 Satz 3 KStG führt die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit zu einer neuen, gesonderten Sparte; entsprechendes gilt für die Aufgabe einer solchen Tätigkeit. Das kann zu Nachteilen für die kommunale GmbH führen, wenn Verluste der „alten Sparte“ und Gewinne der neuen Sparte getrennt werden. Es kann auch passieren, dass zu einer „alten Tätigkeit“ eine neue hinzukommt und dann gem. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG zwingend mit beiden eine neue gemeinsame Sparte zu bilden ist. Das führt dazu, dass „alte Verluste“ eingefroren sind, solange die neue Sparte besteht.

Das FG hatte § 8 Abs. 9 Satz 3 KStG daher eng ausgelegt und eine „gleichartige Tätigkeit“ nur angenommen, wenn die Voraussetzungen von § 4 Abs. 6 KStG erfüllt waren. Es beabsichtigte einen Gleichlauf der Besteuerung von BgA und Einzelgesellschaften. Das war günstig für die Klägerin, da sie letztlich „alte Verluste“ mit „neuen Gewinnen“ verrechnen konnte.

Anders der BFH: Er versteht „gleichartig“ nur wie § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG. Danach sind Tätigkeiten „gleichartig“, wenn die gewerblichen Betätigungen im gleichen Gewerbezweig ausgeübt werden. Hierfür ist in erster Linie auf die gewerbliche Betätigung selbst und damit auf das äußere Erscheinungsbild der jeweiligen Tätigkeit abzustellen und nicht auf die damit verfolgten Ziele. Darüber hinaus kann Gleichartigkeit auch vorliegen, wenn sich die gewerblichen Betätigungen zwar unterscheiden, aber einander ergänzen. So können – wenn eine hinreichende funktionelle Verbindung besteht – einander ergänzende gewerbliche Tätigkeiten im Falle unterschiedlicher Produktions- und Vertriebsstufen vorliegen (BFH vom 14.3.2024 V R 51/20 mwN). Da die alte und die neue Tätigkeit nicht gleichartig waren, musste eine Verlustverrechnung unterbleiben.


Praxishinweis

Die Rechtslage bleibt dynamisch. Berater der öffentlichen Hand müssen die Strukturen regelmäßig überprüfen. So kann mitunter langjährigen Streitigkeiten vorgebeugt werden. Der Berater sollte an verbindliche Auskünfte denken, um für den Einzelfall Sicherheit zu erwirken.

Dr. Dr. Norbert Mückl
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
Partner
LinkedIn
Johannes Grajcarek
Rechtsanwalt
Associate