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Beschränkte Steuerpflicht und Verpflichtung zum Steuerabzug bei zeitlich unbegrenzter Überlassung von Know-how

Im Urteil vom 13.10.2021 (Az. I R 18/18) hat der BFH entschieden, ob eine Vergütung für die Überlassung von Know-how auch dann zu den inländischen Einkünften iSd. beschränkten Steuerpflicht gehört, wenn das Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird, welche Anforderungen an den Inlandsbezug zu stellen sind und in welchem Zeitpunkt die Steuer entsteht.

§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aF erfasst sonstige Einkünfte iSd. § 22 Nr. 3 EStG aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, zB Plänen, Mustern und Verfahren. Außerdem darf es sich nicht um steuerpflichtige Einkünfte iSd. § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 EStG aF handeln (Subsidiaritätsklausel). Schließlich muss eine Nutzung im Inland erfolgen (Inlandsbezug).

I. Sachverhalt
Eine deutsche GmbH schloss einen Technologietransfervertrag mit einer Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn. Die GmbH erwarb ein Recht zur Nutzung von Know-how und zahlte hierfür im Streitjahr 2007 ein Entgelt. Das Finanzamt nahm die GmbH in Haftung, da diese keine Abzugsteuer einbehalten habe. 

II. Urteil
Die Klägerin hafte als Vergütungsschuldnerin für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 191 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 AO iVm. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG aF und § 73g Abs. 1 EStDV aF). Bei der Zahlung des Entgelts habe die Klägerin Abzugsteuer einbehalten, anmelden und abführen müssen (§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG aF). Aus der Überlassung des Know-how habe die ungarische Gesellschaft inländische Einkünfte erzielt, mit denen sie in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sei (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aF iVm. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG).

Die zeitlich unbegrenzte Überlassung falle unter den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aF, da dieser anders als § 49 Abs. 1 Nr. 6 iVm. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG aF nicht nach der Laufzeit differenziere. Das Know-how werde im Inland genutzt, wenn das Know-how bestimmungsgemäß verwendet oder eingesetzt werde, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Nutzung auch zu dem beabsichtigten Erfolg führe. Nach § 50a Abs. 5 Satz 1 EStG aF entstehe die Abzugsteuer, wenn die Nutzung bei Fälligkeit der Vergütung beabsichtigt sei.

Der Haftungsbescheid leide auch nicht an einem Ermessensfehler nach § 102 FGO. Nach § 73g Abs. 1 EStDV aF bestehe kein Entschließungsermessen. Das Auswahlermessen habe das Finanzamt fehlerfrei ausgeübt, weil die Durchsetzung des Steueranspruchs gegenüber der ungarischen Gesellschaft schwierig und das Abkommensrecht unbeachtlich sei.

III. Beraterhinweis
Das Urteil überzeugt nur teilweise. In dem Fall ist bereits zweifelhaft, ob das Know-how überhaupt überlassen und nicht veräußert wurde. Selbst wenn eine Überlassung vorliegen sollte, könnte diese zeitlich begrenzt gewesen sein. Zudem bestehen Zweifel, ob es tatsächlich zu einer Nutzung im Inland kam. Dem BFH reicht aus, dass die Nutzung bei der Zahlung beabsichtigt war, was zu Rechtsunsicherheit führt. Für den Zufluss beim Vergütungsgläubiger soll entgegen § 73c EStDV die bloße Fälligkeit der Vergütung genügen. Darüber hinaus besteht Reformbedarf, weil mit § 73g Abs. 1 EStDV aF („hat“) eine Rechtsverordnung das in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO („kann“) vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen in eine gebundene Entscheidung ummünzt. Ferner ist es unbefriedigend, dass im Haftungsverfahren das Abkommensrecht unbeachtet bleiben soll, obwohl dem Erlass eines Haftungsbescheids eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorauszugehen hat. Der BFH verweist lediglich auf einen Erlass nach § 227 AO.

Vergütungsschuldner und -gläubiger sollten genau prüfen, welche Fassung der §§ 49 ff. EStG auf ihre Transaktion Anwendung findet, da die Vorschriften mehrfach umfangreich geändert wurden. Der Know-how-Transfer sollte eindeutig vertraglich geregelt und die tatsächliche Durchführung dokumentiert werden, damit es später nicht zum Streit über die Qualifikation als Veräußerung, zeitlich begrenzte oder zeitlich unbegrenzte Überlassung kommt. Sowohl die anwendbare Gesetzesfassung, als auch die rechtliche Qualifikation kann entscheidend sein, ob der Vergütungsschuldner einen Steuerabzug vornehmen muss oder nicht. 
 

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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