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Berufsrechts-Reform: Jetzt handeln bei den Haftungsklauseln in den AAB!

Die große Berufsrechtsreform, dh. das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ ist zwischenzeitlich am 12.7.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBL. I 2021, 2363). Nach Art. 36 tritt es zum 1.8.2022 in Kraft. 

Was in der Diskussion bislang wenig beleuchtet ist: Für steuerberatende Gesellschaften und Rechtsanwaltsgesellschaften ändern sich in wesentlichen Teilbereichen die Mindestversicherungsbeträge (vgl. § 55f Abs. 2 StBerG, § 59o Abs. 1 BRAO).

Folgewirkung: Da sich die Beträge, auf die die Haftung in den AAB begrenzt werden kann, nach der Regelungstechnik in § 67 Abs. 1 Nr. 2 StBerG bzw. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO grundsätzlich auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme belaufen, ändert sich auch das Haftungsregime.

Die Änderungen betreffen im Wesentlichen Berufsausübungsgesellschaften in der Rechtsform der GbR, der Partnerschaft sowie der anwaltlichen Partnerschaft mbB und der anwaltlichen GmbH & Co. KG:

So erhöht sich ab dem 1.8.2022 für die nicht haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften (GbR und PartG) sowohl bei den Steuerberatern als auch bei den Rechtsanwälten der Mindestbetrag der Haftungsbegrenzung durch AAB auf € 2.000.000,-- je Fall (bislang: € 1.000.000,--). Hintergrund ist, dass für diese Gesellschaften die Mindestversicherungssumme von bislang € 250.000,-- beginnend ab dem 1.8.2022 auf € 500.000,-- angehoben wird. 

Bei anwaltlichen Partnerschaften mbB bzw. anwaltlichen GmbH & Co. KG bleibt es für die größeren Einheiten bei der bisherigen Mindestversicherungssumme iHv. € 2.500.000,-- und damit auch bei der bisherigen Möglichkeit, die Haftung durch AAB auf € 10 Mio. zu begrenzen. 

Was neu ist: Anwaltliche Partnerschaftsgesellschaften mbB oder GmbH & Co. KG, bei denen nicht mehr als zehn Personen anwaltlich oder in einem Beruf nach § 59c Absatz 1 Satz 1 BRAO tätig sind, können zukünftig ihre Haftung durch AAB auf € 4 Mio. (bisher: € 10 Mio.) begrenzen, da für diese Gesellschaften die Mindestversicherungssumme auf € 1 Mio. und damit auf das Niveau der steuerberatenden Gesellschaften abgesenkt wird (§ 59o Abs. 2 BRAO iVm. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). 

Daher sollten Berufsausübungsgesellschaften, die von den Veränderungen der Haftungsgrenzen betroffen sind, insbesondere GbR, PartG und anwaltliche PartG mbB, bereits jetzt Anpassungen ihrer AAB in allen laufenden Mandaten vorbereiten. Werden die Klauseln bis zum 1.8.2022 nicht angepasst und erhöht sich ab diesem Zeitpunkt der gesetzliche Haftungsbegrenzungsbetrag, werden die Haftungsbegrenzungsklauseln ab dem 1.8.2022 in jedem Fall unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion ist dem AAB-Recht unbekannt. Im Rahmen der Anpassung ist sorgsam zu prüfen, wie der Geltungsbereich von alter und neuer Haftungsbegrenzungsklausel vertraglich austariert werden kann. 

Wenig beleuchtet ist bislang, wie sich die Veränderung des Haftungsregimes auf die Haftung in den am 1.8.2022 laufenden Mandaten auswirken wird. Unseres Erachtens dürften richtigerweise folgende Leitlinien maßgeblich sein:

Soweit sich die Haftungsgrenzen der AAB zum 1.8.2022 erhöhen (zB GbR von € 1 Mio. auf € 2 Mio.): 

  • Alle laufenden AAB müssen frühzeitig vor dem 1.8.2022 angepasst und Haftungsobergrenzen auf das neue gesetzliche Minimum erhöht werden!
  • Die rückwirkende Aufgabe des alten, besseren Haftungsschutzes ist für die am 1.8.2022 laufenden Mandate uE nicht erforderlich; vielmehr sollten die neuen AAB die alten mit Wirkung zum 1.8.2022 ersetzen und an deren Stelle treten;
  • denkbar ist ggf. ergänzend eine Klausel, die klarstellt, dass die neue, ab dem 1.8.2022 weitergehende Haftung nur zur Anwendung kommen soll, wenn Pflichtverletzung und/oder Schadensentstehung nach dem 30.7.2022 verwirklicht werden. In der Literatur ist bislang wenig diskutiert, ob eine solche Klausel zulässig ist und ob ihr ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt. 

Soweit sich die Haftungsgrenzen zum 1.8.2022 absenken (zB Anwalts-PartG mbB mit 10 Berufsträgern bislang € 10 Mio.; ab dem 1.8.2022 € 4 Mio.): 

  • Absenkung der Haftung gilt auf jeden Fall für Mandate, die nach dem 1.8.2022 beginnen;
  • auch für die am 1.8.2022 bestehenden Mandate ist uE die Geltung der abgesenkten Haftungsgrenze denkbar, wenn Pflichtverletzung und kumulativ Schadenseintritt nach dem 1.8.2022 eintreten. Auch hier ist bislang wenig erörtert, ob und in welchem Umfang eine Klausel zum zeitlichen Geltungsbereich des alten und neuen Haftungsbegrenzungsbetrags Klarheit schaffen kann. 

Die Änderungen der AAB sollten frühzeitig und umsichtig angegangen werden, um das Risiko einer Unwirksamkeit auszuschließen oder nach Möglichkeit gering zu halten. 

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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