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Berücksichtigung gewerbesteuerlicher Verluste bei Personengesellschaften

Werden Personengesellschaften umgewandelt, so ist die Fortführung gewerbesteuerlicher Verluste ein praxisrelevantes wie umstrittenes Thema. Nachdem zuletzt mehrere BFH-Urteile die Personengesellschaft als übernehmende Gesellschaft betrafen (siehe zuletzt unseren Newsletter vom 4.4.2024), ist nun der umgekehrte Fall – die Personengesellschaft als übertragende Gesellschaft – Gegenstand einer aktuellen BFH-Entscheidung (BFH vom 25.4.2024 III R 30/21). Wir geben einen Überblick über die letzten Entwicklungen.

 

I. Warum ergeben sich so viele Probleme?

Die Möglichkeit der periodenübergreifenden Nutzung von Verlusten ergibt sich im Gewerbesteuerrecht aus § 10a GewStG. Veränderungen bei der gewerblichen Tätigkeit oder dem Gesellschafterbestand können sich auf die Möglichkeit der Verlustnutzung auswirken. Für Kapital- und Personengesellschaften ergeben sich hier unterschiedliche Regime (vgl. WEISS, DStR 2022, 1785, 1785 f.):

  • Die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften gilt gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Die Verlustnutzung richtet sich für Kapitalgesellschaften nach zahlreichen Einzelregelungen. Etwa ist im Falle von Wechseln im Gesellschafterbestand § 8c KStG (iVm. § 10a Satz 10 GewStG) entsprechend anzuwenden. Im Anwendungsbereich des UmwStG sind weitere Regelungen vorhanden: Ist die Kapitalgesellschaft übertragender Rechtsträger einer Verschmelzung oder Aufspaltung, so gehen die Verluste gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG oder § 19 Abs. 2 UmwStG unter. Im Anschluss an Einbringungen in eine Kapitalgesellschaft können „Ereignisse iSd. § 8c KStG“, dh. schädliche Beteiligungserwerbe, einen Verlustuntergang bewirken (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).
  • Für Personengesellschaften hat die Rechtsprechung die Kriterien der „Unternehmeridentität“ und „Unternehmensidentität“ entwickelt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss (Unternehmeridentität). Ferner soll der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat (Unternehmensidentität) (vgl. nur BFH vom 1.2.2024 IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz. 24 mwN).

Die Kriterien der „Unternehmeridentität“ und der „Unternehmensidentität“ führen in der Praxis zu erheblicher Unsicherheit. Dies gilt gerade dort, wo keine speziellen Regelungen vorhanden sind. So auch im Streitfall, in dem eine Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft anwuchs. Der Ausgang des Falls hing von der bislang umstrittenen Frage ab, ob sich das Kriterium der Unternehmensidentität bei der Kapitalgesellschaft „fortsetzt“ und dort über den Wegfall der Verluste entscheidet.

 

II. Welchen Fall hatte der BFH zuletzt zu entscheiden?

Die Klägerin, die A-GmbH, war zu 100 % als Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG beteiligt gewesen. Komplementärin ohne Kapitaleinlage war die B-GmbH gewesen.

Für die GmbH & Co. KG war zum 31.12.2010 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von rund € 35 Mio. festgestellt worden.

Im Jahr 2011 wurde die B-GmbH (Komplementärin) auf die Klägerin (Kommanditistin) verschmolzen. Nach dem Ausscheiden der B-GmbH als vorletzte Gesellschafterin bestand die GmbH & Co. KG nicht mehr fort. Ihr Vermögen ging im Wege der Anwachsung auf die Klägerin über (vgl. § 738 BGB aF; §§ 712, 712a BGB nF).

Später änderte die Klägerin mehrfach ihre Firma und ihren Unternehmensgegenstand. Schließlich veräußerte sie den angewachsenen Betrieb der früheren GmbH & Co. KG.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die auf die Klägerin übergegangenen gewerbesteuerlichen Verluste der früheren GmbH & Co. KG weggefallen seien. Grund hierfür sei der Wegfall der notwendigen Unternehmensidentität. Die Klägerin habe nach der Anwachsung über zwei Betriebe verfügt – den ursprünglichen und den angewachsenen Betrieb. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG ermögliche Kapitalgesellschaften ausnahmsweise die Verrechnung, indem sie einen einzigen Gewerbebetrieb fingiere. Mit der Veräußerung des früheren Betriebs der GmbH & Co. KG sei diese Möglichkeit entfallen.

 

III. Was hat der BFH entschieden?

Der BFH entschied, dass der Verlust erhalten bleibt.
Die Unternehmensidentität sei für die Klägerin als Kapitalgesellschaft unerheblich. Ihre Tätigkeit gelte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Von diesem Grundsatz sei auch im Falle einer hier vorliegenden Anwachsung keine Ausnahme zu machen. Hierfür bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. An einer solchen Vorschrift fehle es im geltenden Recht.

 

IV. Wie ist das aktuelle Urteil einzuordnen?

Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, nachdem zuvor bereits vier mit der Frage befasste Finanzgerichte – und damit einhergehend das Schrifttum – unterschiedliche Positionen zu der Streitfrage vertraten (FG Düsseldorf vom 28.10.2010 11 K 3637/09 F, EFG 2011, 477; FG Nürnberg vom 25.10.2016 Az. 1 K 1229/14; FG München vom 25.1.2023 Az. 6 K 1787/19 – Rev. anh. unter Az. XI R 2/23; Vorinstanz FG Sachsen vom 7.9.2020 Az. 5 K 114/19).
Aus Sicht der Gewerbebetriebe ist die Entscheidung günstig. Der fortgeführte Betrieb kann veräußert werden, ohne dass sich dies auf die Verlustnutzung auswirkt. Bei gestalterischen Erwägungen ist dies ein wichtiger Faktor und sollte unbedingt berücksichtigt werden.

Die Entscheidung ist praxisgerecht: Im Falle des Obsiegens der Finanzverwaltung hätten künftig gleichsam „zwei Betriebe unter einem Dach“ auseinandergehalten werden müssen. Es wäre kaum umzusetzen gewesen, dass beim Wegfall der Unternehmensidentität auch genau der Teil des Verlustvortrags entfällt, der mit dem ursprünglich fortgeführten Betrieb zusammenhängt. Ohnehin hätte sich gefragt, wie lange eine solche Nachverfolgung vorzunehmen ist. 

 

V. Wie ist der Stand im umgekehrten Fall (Personengesellschaft als übernehmende Gesellschaft)?

Den „umgekehrten“ Fall der Ausgliederung eines Betriebs aus einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft betrafen zuletzt zwei BFH-Urteile (BFH vom 17.1.2019 III R 35/17 sowie vom 1.2.2024 IV R 26/21). In dieser Konstellation ist bereits der Übergang (und nicht erst der spätere Wegfall) der Verluste problematisch.

a. Kein Verlustübergang, wenn „Restunternehmen“ zurückbleibt (BFH III R 35/17)

Ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag der Kapitalgesellschaft geht nicht auf die KG über, wenn sich die Kapitalgesellschaft fortan nicht nur auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der KG beschränkt (BFH III R 35/17). Mit anderen Worten: Die Unternehmensidentität ist nicht gewahrt, wenn ein „Restunternehmen“ bei der Kapitalgesellschaft verbleibt. Die Personengesellschaft kann denknotwendig nicht das identische Unternehmen fortführen.

b. Verlustübergang bei sog. Totalausgliederung (BFH IV R 26/21)

Ausnahmsweise gehen die Verluste bei einer sog. „Totalausgliederung“ über (BFH IV R 26/21, Rz. 40, zuvor noch offen gelassen von BFH III R 35/17, aaO, Rz. 27). Das sind Konstellationen, in denen bei der Ausgliederung ein Gewerbebetrieb von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft übergeht und die Kapitalgesellschaft sich fortan auf die bloße Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der Personengesellschaft beschränkt. Mit anderen Worten ist das bloße Halten des Mitunternehmeranteils für das Merkmal der Unternehmensidentität nicht relevant (siehe ausführlich unseren Newsletter vom 4.4.2024).

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Markus Surmann
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