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Aktuelles zur Übertragung von Betriebsvermögen unter Vorbehaltsnießbrauch

Nach der geltenden Rechtslage ist die Übertragung von Unternehmensvermögen erbschaft- und schenkungsteuerlich im Grundsatz (weitgehend) steuerfrei möglich. Allerdings bedarf die Unternehmensübertragung einer sorgfältigen Planung, da das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht viele Stolperfallen bereithält, die sich im Todesfall nur schwer vermeiden lassen. Viele Unternehmer übertragen daher ihr Unternehmensvermögen sehr frühzeitig auf die nächste Generation, um sich die Vorteile des derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts zu sichern. Die Aufgabenstellung für den Berater lautet dabei häufig, dass der Schenker - trotz der Übertragung - weiterhin an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt wird. Ferner möchte sich der Schenker Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmen erhalten. Ein beliebtes Gestaltungsmittel zur Erreichung dieser Ziele war in der Vergangenheit die Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch.

Seit der Entscheidung des BFH vom 25.1.2017 (X R 59/14, BStBl. II 2019, 730) konnten solche Gestaltungen bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften allerdings nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit durchgeführt werden. Der BFH hatte entschieden, dass die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG bei der Übertragung eines Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch nicht in Betracht kommt. Damit eine Buchwertübertragung angenommen werden könne, sei die vollständige Einstellung des Betriebs notwendig. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn sich der Übertragende den Nießbrauch vorbehalte. In diesem Fall seien deshalb sämtliche stillen Reserven in dem übertragenen Betriebsvermögen aufzudecken.

Die Entscheidung stieß in der Literatur zu Recht auf erhebliche Kritik. Insbesondere steht sie in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben. Bei solchen soll die Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch zum Buchwert möglich sein (BFH vom 25.1.2017 X R 59/14, BStBl. II 2019, 730; vom 15.10.1987 IV 66/86, BStBl. II 1988, 260). Der VI. Senat des BFH (vom 25.1.2017 X R 59/14, BStBl. II 2019, 730; vom 15.10.1987 IV 66/86, BStBl. II 1988, 260) äußerte daher Zweifel daran, ob er der Ansicht des X. Senats folgen kann.

Die Finanzverwaltung hat sich zu dieser Frage erst jetzt, knapp zwei Jahre nach der Entscheidung des X. Senats geäußert. Sie hat das Urteil des X. Senats im BStBl. veröffentlicht (BStBl. II 2019, 730) und im überarbeiteten BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 3 EStG dazu Stellung genommen (BMF vom 20.11.2019 IV C 6 – S 2241/15/10003, DStR 2019, 2482). Die unentgeltliche Übertragung eines operativ tätigen oder im Ganzen verpachteten gewerblichen Einzelunternehmens unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts ist danach kein von § 6 Abs. 3 EStG erfasster Vorgang. Stattdessen sind bei einer solchen Übertragung sämtliche stille Reserven des Betriebs aufzudecken.

Eine andere Auffassung vertritt das BMF bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen (insbesondere der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft) unter Vorbehaltsnießbrauch. Auf diese Konstellationen wendet es die Rechtsprechung des X. Senats nicht an. Erfolgt die Übertragung eines (Teil-)Mitunternehmeranteils unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts und wird der neue Gesellschafter Mitunternehmer, steht der Nießbrauchsvorbehalt der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG nach Ansicht des BMF nicht entgegen (BMF vom 20.11.2019 IV C 6 - S 2241/15/10003, DStR 2019, 2482, Tz. 7 und 18). Höchstrichterlich entschieden ist diese Frage allerdings noch nicht.

In der Gestaltungsberatung kommt unter Vorbehaltsnießbrauch mithin nur die Übertragung von Mitunternehmeranteilen, nicht aber diejenige eines Betriebs- oder Teilbetriebs in Betracht. Soll ein (Teil-)Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen werden, ist dies unseres Erachtens aber möglich, wenn dieser zunächst in eine GmbH & Co. KG eingebracht wird. Anschließend kann dann der Mitunternehmeranteil an der GmbH & Co. KG unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen werden.

Greift die Finanzverwaltung die Übertragung von (Teil-)Betrieben unter Vorbehaltsnießbrauch auf, sollte der Steuerpflichtige den Streit nicht scheuen. Angesichts der erheblichen Kritik in der Literatur und der vom VI. BFH-Senat geäußerten Zweifel an der Rechtsprechung des X. Senats dürfte das letzte Wort zur Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 EStG in solchen Fallgestaltungen noch nicht gesprochen sein.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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