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Aktuelles zur echten Realteilung: Wer versteuert den Gewinn aus einem Sperrfristverstoß?

Anmerkung zu BFH vom 23.11.2021 VIII R 14/19

Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, sind im Grundsatz die Buchwerte fortzuführen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG). Dagegen ist rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, zum Buchwert übertragener Grund und Boden, übertragene Gebäude oder andere übertragene wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb einer Sperrfrist von (grob) drei Jahren nach der Übertragung veräußert oder entnommen werden (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG). 

I. Streitstand

Umstritten war bislang, wer den aus einem solchen Sperrfristverstoß resultierenden Gewinn versteuern muss. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen – sofern im Rahmen der echten Realteilung nichts abweichendes vereinbart wurde - alle ehemaligen Mitunternehmer der realgeteilten Mitunternehmerschaft den Gewinn nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel versteuern müssen (vgl. BMF vom 19.12.2018, BStBl. I 2019, 6, Tz. 29). In der Literatur wird hingegen unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG vertreten, dass lediglich der gegen die Sperrfrist verstoßende Realteiler den Gewinn zu versteuern habe (vgl. mwN STENERT, DStR 2017, 1785).

II. BFH-Fall 

Ein entsprechender Fall lag nun dem BFH vor. Konkret ging es um die Realteilung einer zweigliedrigen Zahnarzt-GbR. Beide Gesellschafter übernahmen im Rahmen der Realteilung Wirtschaftsgüter und übertrugen sie in ihre Einzelpraxen. 15 Monate später veräußerte einer der Gesellschafter seine Einzelpraxis mit den aus der Realteilung übernommenen Wirtschaftsgütern. Er war der Meinung, der durch diesen Sperrfristverstoß entstandene Gewinn sei zur Hälfte von seinem ehemaligen Mitgesellschafter zu versteuern.

III. Entscheidung des BFH

Der BFH folgte dieser Auffassung nicht. Ein Gewinn i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, den ein Realteiler erzielt, weil er seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist veräußert, sei gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen.

IV. Stellungnahme

Die Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen. Es ist sachgerecht, dass derjenige, der bewusst gegen die Sperrfrist verstößt, die daraus resultierenden Konsequenzen alleine zu tragen hat. 

Die Begründung des BFH überzeugt jedoch in weiten Teilen nicht. 

- Zutreffend stützt der BFH seine Entscheidung auf § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG. Danach ist bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, für jeden einzelnen Beteiligten der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat.

- Zugleich bestätigt der VIII. Senat jedoch die unzutreffende Rechtsprechung des IV. Senats (BFH vom 16.3.2017 IV R 31/14, BStBl. II 2019, 24, 30.3.2017 IV R 11/15, BStBl. II 2019, 29) und die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF vom 19.12.2018, BStBl. I 2019, 6, Tz. 9) zur Entnahme im Rahmen der Realteilung. Werden stille Reserven nicht erst aufgrund eines Sperrfristverstoßes, sondern bereits im Rahmen der Realteilung aufgedeckt, soll danach eine gemeinschaftliche Entnahme aller Gesellschafter vorliegen. Die stillen Reserven sollen – sofern nichts abweichendes vereinbart wird – nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu versteuern sein. Belastet wird danach mithin auch der Mitunternehmer, der sämtliche von ihm übernommene Wirtschaftsgüter in sein Betriebsvermögen überträgt.

- Warum § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG bei der Entnahme nicht einschlägig sein soll, leuchtet nicht ein. Im Gegenteil sprechen die Ausführungen des VIII. Senats vielmehr für dessen Anwendung: 

„§ 16 Abs. 3 Satz 8 EStG stellt eine Sonderregelung für die Ermittlung des Aufgabegewinns bei Mitunternehmerschaften dar. Sie schreibt nicht allein den Ansatz des gemeinen Wertes vor …, sondern regelt auch die Gewinnzurechnung. Die Norm rechnet dem einzelnen Beteiligten im Fall der aufgabebedingten Übernahme von Wirtschaftsgütern unmittelbar das zu, was er tatsächlich erhält. Nur wenn im Rahmen der Betriebsaufgabe überhaupt kein Wirtschaftsgut von einem Beteiligten übernommen wird, sondern alle Wirtschaftsgüter veräußert werden, ist dem einzelnen Beteiligten ein Anteil am Aufgabegewinn nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen…. Dementsprechend ist § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm zu verstehen, die die Gewinnverteilung vom allgemeinen Gewinnverteilungsmaßstab loslöst.“

- Ebenso wenig erschließt sich, warum sich der VIII. Senat gezwungen sieht zu betonen, es könne offen bleiben, ob der aus der Verletzung der Sperrfrist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierende Gewinn nicht nur im vorliegenden Fall der Betriebsveräußerung, sondern stets nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG zuzurechnen ist. Hätte das Ergebnis im BFH-Fall ein anderes sein können, wenn der ehemalige Gesellschafter nicht seine gesamte Praxis, sondern nur einzelne sperrfristbehaftete Wirtschaftsgüter veräußert hätte? Wenige Absätze vorher betont der VIII. Senat selbst, dass diese Unterscheidung für die Frage, ob stille Reserven aufgedeckt werden, keine Rolle spielen kann. Wie sich dieser Unterschied dann aber auf die Frage der Gewinnverteilung einer Gesellschaft auswirken soll, bleibt ein Rätsel. 

Beratungshinweis: Das Urteil bezieht sich auf einen Fall der echten Realteilung, bei der die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird. Eine unechte Realteilung liegt dann vor, wenn ein Mitunternehmer aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidet und dabei Wirtschaftsgüter der Mitunternehmerschaft in sein Betriebsvermögen übernimmt. Wie ein Sperrfristverstoß bei der unechten Realteilung zu versteuern ist, war nicht Gegenstand der Entscheidung. Auch diese Rechtsfrage ist bislang nicht geklärt. Angesichts der verbleibenden Unsicherheiten sollten Gesellschafter, die sich davor schützen möchten, aufgrund von Sperrfristverstößen ehemaliger Mitgesellschafter besteuert zu werden, Vorsorge treffen. Sowohl bei der echten als auch bei der unechten Realteilung sollte auch künftig in der Auseinandersetzung- oder Ausscheidensvereinbarung geregelt werden, dass die Steuer allein von dem Gesellschafter zu tragen ist, der den Sperrfristverstoß begeht.
 

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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