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Aktuelles BMF-Schreiben zu inkongruenten Gewinnausschüttungen
Die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen stellt in der Praxis ein umstrittenes Thema dar. Der BFH entschied im Jahr 2022 im Widerspruch zur damaligen Auffassung des BMF, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH vom 28.9.2022 VIII R 20/20, BFHE 278, 231). In einem aktuellen BMF-Schreiben vom 4.9.2024 schließt sich das BMF nun der Auffassung des BFH an und nimmt ausführlich Stellung zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen (BMF vom 4.9.2024 IV C 2-S 2742/19/10004:003).
Im Einzelnen:
I. Ausschüttungen an Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft erfolgen regelmäßig im Verhältnis zu ihrer Beteiligung an der Gesellschaft. Damit wird eine gleichmäßige Partizipation der Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft sichergestellt. Gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG bzw. § 60 Abs 3 AktG kann gesellschaftsrechtlich aber auch eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnausschüttung vereinbart werden. Diese sog. inkongruenten Gewinnausschüttungen sind im Grundsatz steuerlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind.
II. Nach früherer Auffassung des BMF war die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen nur unter engen Voraussetzungen möglich (vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2013 IV C 2-S 2750-a/11/10001, BStBl. I 2014, 63). Danach war eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnverteilung einer GmbH nur dann zivilrechtlich wirksam, wenn entweder im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt wurde oder die Satzung eine Klausel enthielt, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann. Bei einer AG wird vorausgesetzt, dass sich die konkrete von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnverteilungsregelung aus der Satzung selbst ergibt. Eine in der Satzung enthaltene Öffnungsklausel für eine von der gesetzlichen Gewinnverteilung abweichende Verteilung ist insoweit nicht ausreichend.
III. Entgegen dieser Auffassung des BMF entschied der BFH mit Urteil vom 28.9.2022, dass auch ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH vom 28.9.2022 VIII R 20/20, BFHE 278, 231). Der BFH führt aus, dass satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse mit Dauerwirkung zwar grundsätzlich nichtig sind. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss, dessen Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll, ist hingegen nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Kommt die Anfechtung eines solchen punktuell satzungsdurchbrechenden, inkongruenten Gewinnausschüttungsbeschlusses aufgrund der einstimmigen Beschlussfassung bzw. der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter nicht in Betracht, ist der Beschluss zivilrechtlich wirksam und daher der Besteuerung zugrunde zu legen.
IV. Dieser Auffassung stimmt das BMF nun im aktuellen BMF-Schreiben vom 4.9.2024 zu (BMF vom 4.9. 2024 IV C 2-S 2742/19/10004:003). Neben den bereits anerkannten Fallkonstellationen nimmt das BMF in Einklang mit dem BFH nun auch im Fall eines punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlusses über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, einen zivilrechtlich wirksamen Ausschüttungsbeschluss an, der der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dahingegen sind inkongruente Gewinnausschüttungen einer AG weiterhin nur steuerlich anzuerkennen, wenn in der Satzung gem. § 60 Abs. 3 AktG ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllt diese Voraussetzung nicht.
V. Darüber hinaus nimmt das BMF Stellung zu zeitlich inkongruenten Gewinnausschüttungen und verweist insoweit auf ein BFH-Urteil aus dem Jahr 2021. Der BFH entschied, dass ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist (BFH vom 28.9.2021 VIII R 25/19, BFHE 274, 457). Das gilt auch dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung eines Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt insoweit nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 iVm. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Beraterhinweis
Das aktuelle BMF-Schreiben vom 4.9.2024 ersetzt das BMF-Schreiben vom 17.12.2013 und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Das BMF trägt damit zu einer gewissen Rechtssicherheit in Fällen inkongruenter Gewinnausschüttungen bei punktuell satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschlüssen bei. Zu beachten ist jedoch, dass die steuerliche Anerkennung von punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen nur bei Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH gilt. Bei einer AG gelten weiterhin strengere Anforderungen.