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Holding-Personengesellschaft als Organträger?
Die körperschaftsteuerliche Organschaft stellt ein zentrales Gestaltungsinstrument zur Verlustnutzung innerhalb eines Konzerns dar. Sind ihre Voraussetzungen erfüllt, hat die Konzernspitze (als Organträger) die Gewinne der Tochtergesellschaften (als Organgesellschaften) zu versteuern. Als Organträger kommen dabei nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern – ua. – auch Personengesellschaften in Betracht. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Personengesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Ein aktuelles Grundsatz-Urteil des BFH betrifft die umstrittene Frage, welche Anforderungen an die gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft zu stellen sind (BFH vom 27.11.2024 I R 23/21, DStR 2025, 899). Unter welchen Voraussetzungen genügt die bloße Tätigkeit als geschäftsleitende Holding?
Sachverhalt
Im Anschluss an eine konzerninterne Umstrukturierung übernahm die X-KG als Organträgerin die Ergebnisabführungsverträge mit neun Organgesellschaften – darunter auch den mit der Z-GmbH (Klägerin). Die X-KG hatte zuvor keine operative Tätigkeit ausgeübt. Sie verfügte über keine Arbeitnehmer. Sie erbrachte im Streitjahr keine konzerninternen Dienstleistungen. Im Rhythmus von 14 Tagen wurden Geschäftsführersitzungen abgehalten, auf denen das Tagesgeschäft der Gesellschaften erörtert und Maßnahmen festgelegt wurden, die der Margenverbesserung und der Ausbildungsanpassung dienen sollten. Dies belegten die Protokolle der Sitzungen.
BFH-Entscheidung
Der BFH bejahte eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der X-KG (Organträgerin) und der Klägerin (Organgesellschaft) und stützte sich dabei maßgeblich auf die dokumentierte, nach außen erkennbare Leitungstätigkeit der X-KG. Der BFH bezog sich auf seine bisherige Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Eingliederung (BFH vom 10.8.2005 I B 27/05, BFH/NV 2006, 133 mwN) und übertrug die Voraussetzungen auf den Kontext der Organschaft (BFH I R 23/21, aaO, Rz. 18). Für Zwecke des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG gilt deshalb:
> Die nach außen erkennbare einheitliche Leitung führt zur Teilnahme der Organträger-Personengesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Einordnung
Der BFH positioniert sich in einer umstrittenen Frage. Bislang war offen, ob an § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht restriktivere Maßstäbe anzulegen sind. Nach Auffassungder Finanzverwaltung ist – zusätzlich – die Erbringung konzerninterner Dienstleistungen (zB Erstellen der Buchführung, EDV-Unterstützung oä.) erforderlich, die gegen gesondertes Entgelt erbracht und wie gegenüber fremden Dritten abgerechnet werden (BMF vom 10.11.2005, BStBl. I 2005, 1038, Rz. 18 f.). Der BFH lehnt dies nun – mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums – ab (vgl. NEUMANN in Gosch, KStG, 4. Aufl., 2020, § 14 Rz. 112 f. mwN). Dies ist zu begrüßen, da ein solches Verständnis im Wortlaut von § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht angelegt ist. Dieser bezieht sich lediglich auf eine „Tätigkeit iSv. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG“. Bloß konzerninterne Dienstleistungen vermitteln keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob eine geschäftsleitende Holding zwingend die Beteiligung an mindestens zwei Tochtergesellschaften voraussetzt. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ist uE Zurückhaltung geboten. In der Literatur wird vertreten, dass es mindestens zweier Tochtergesellschaften bedarf (NEUMANN in Gosch, KStG, aaO, § 14 Rz. 113 mwN). In seiner bisherigen Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Eingliederung hob der BFH jedenfalls darauf ab, dass der Organträger die einheitliche Leitung über mehrere Organgesellschaften ausübt und diese damit zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst (BFH vom 9.2.2011 I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106, Rz. 13).
Praktische Umsetzung
Ob eine „nach außen erkennbare Leitung“ des Organträgers vorliegt, beurteilt sich nach dem „Gesamtbild der Verhältnisse“ (BFH I R 23/21, aaO, Rz. 18). Die Kriterien hierfür bleiben auch nach der BFH-Entscheidung vage.
UE können ergänzend die Kriterien des BMF zur aktiven Beteiligungsverwaltung im Kontext des § 50d Abs. 3 EStG aF herangezogen werden (BMF vom 24.1.2012 IV B 3 – S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 5.3). Demnach werden geschäftsleitende Funktionen durch Führungsentscheidungen ausgeübt. Führungsentscheidungen zeichnen sich durch ihre langfristige Natur, Grundsätzlichkeit und Bedeutung aus, die sie für den Bestand der Beteiligungsgesellschaft (geleitete Gesellschaft) haben. Sie unterscheiden sich von Entscheidungen, die kurzfristig und ausführungsbezogen sind. Die Durchführung nur einzelner Geschäftsfunktionen, wie zB Lizenzverwertung und/oder Kreditgewährung, reicht für die Qualifizierung als aktive Beteiligungsverwaltung nicht aus. Mündliche Führungsentscheidungen ohne hinreichende Dokumentation reichen zum Nachweis der geschäftsleitenden Funktion nicht aus.
Die Führungsentscheidungen können durch zB schriftliche Weisungen oder – wie im Streitfall – im Rahmen regelmäßiger Besprechungen durchgesetzt werden. Es ist unbedingt auf eine ausreichende schriftliche Dokumentation zu achten.
Wegzugskonstellationen
Besonders praxisrelevant bleibt die geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft in Wegzugs-Konstellationen. Hier kann je nach Konstellation zusätzlich die Begründung einer körperschaftlichen Organschaft erwogen werden.
Der Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts an Kapitalgesellschaftsanteilen steht einer Veräußerung gleich (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG). Durch den Einsatz einer geschäftsleitenden Holding kann das deutsche Besteuerungsrecht gesichert und somit die Wegzugsbesteuerung vermieden werden. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA weist das Besteuerungsrecht an Unternehmensgewinnen dem Betriebsstättenstaat zu. Zu beachten ist dabei ua. Folgendes:
- Es ist eigenständig anhand des jeweiligen DBAs zu prüfen, ob die Holding-Personengesellschaft „Unternehmensgewinne“ erwirtschaftet. IdR dürften im Falle einer „nach außen erkennbaren Leitung“ im vorgenannten Sinne auch die Anforderungen an das Vorliegen von „Unternehmensgewinnen“ erfüllt sein (vgl. BFH vom 19.1.2017 IV R 50/14, BStBl. II 2017, 456; BMF vom 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Ziff. 2.2.1).
- Nur eine im Inland belegene Betriebsstätte sichert das deutsche Besteuerungsrecht. In der Praxis werden deshalb regelmäßig Fremdgeschäftsführer installiert, damit die Betriebsstätte nicht beim weggezogenen Gesellschafter im Ausland angenommen wird. Dies birgt eigene Herausforderungen (vgl. FG Düsseldorf vom 10.8.2023 8 K 2364/19 G, DStRE 2024, 1399). Der Erfüllung der Anforderungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG („nach außen erkennbare Leitung“) sollte der Einsatz eines Fremdgeschäftsführers uE nicht entgegenstehen.