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BFH: Mindestwertschranke gilt nicht bei zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten

Wird der gemeine Wert von Anteilen an nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet, erhebt sich die Frage, ob der Substanzwert hierbei die Wertuntergrenze markiert. In seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 25.9.2024 (Az. II R 15/21) setzte sich der BFH erstmalig mit dieser Frage auseinander und gelang zu dem Ergebnis, dass dem nicht so sei.


I. Worum geht es?

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dieser ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 BewG vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Ist dies nicht möglich, richtet sich die Wertfindung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode.

§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG schreibt vor, dass der Substanzwert nicht unterschritten werden darf. Dies ist die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge.


II. Worin besteht das Problem?

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, in der Finanzverwaltung und im juristischen Schrifttum ist umstritten, ob die Mindestwertregelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG auf die Wertableitung aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 BewG anwendbar ist.

Die Finanzverwaltung (R B 11.5 Abs. 1 Satz 2 ErbStR) und die wohl herrschende Meinung in der juristischen Literatur halten die Mindestwertregelung bei dieser Bewertungsmethode nicht für anwendbar. Das FG Münster, das erstinstanzlich über den vorliegenden Streitfall zu entscheiden hatte, sah dies anders (FG Münster vom 15.4.2021 3 K 3724/19 F, EFG 2021, 1177).


III. Was entschied der BFH?

Der BFH teilte die Ansicht des FG Münster nicht und schloss sich der überwiegenden Auffassung der Finanzverwaltung und der Literatur an, wonach die Mindestwertregelung bei einer Wertableitung aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten nicht zum Tragen komme.

§ 11 Abs. 2 Satz 1 BewG enthalte das Bewertungsziel des Gesetzgebers, nach dem Anteile an nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften mit dem gemeinen Wert anzusetzen seien. Könne dieser aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden, sei kein Grund ersichtlich, den hiernach gefundenen Wert durch einen anderen Wert, namentlich einen höheren Substanzwert, zu ersetzen.


Fazit

Dieser Auslegung des BFH ist zuzustimmen. Der gemeine Wert wird allgemein nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Wegen des natürlichen Interessengegensatzes zwischen fremden Dritten bilden Kaufpreise, die diese tatsächlich vereinbaren, einen zuverlässigen Maßstab für diese Wertermittlung. Eines Kontrollmaßstabs bedarf es insoweit nicht.

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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