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Der Zehnt Aktuell
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Achtung bei (verdeckten) Einlagen
Schenkungen gem. § 7 Abs. 8 ErbStG laut BFH auch ohne Wille zur Unentgeltlichkeit
Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung
Sind an einer (Holding-)GmbH mehrere Gesellschafter beteiligt, ist bei Einlagen neben den ertragsteuerlichen Implikationen stets zu prüfen, ob ein schenkungsteuerliches Risiko besteht. Insbesondere, wenn disquotal bzw. nur ein Gesellschafter eine Einlage leistet, kann die dadurch eintretende Werterhöhung der Gesellschaftsanteile für die Mitgesellschafter eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung darstellen.
Beispiel:
Vater und Sohn sind zu jeweils 50 % an einer Holding-GmbH beteiligt. Der Vater bringt in Hinblick auf die künftige Erbnachfolge durch seinen Sohn Barmittel iHv. € 500.000,-- in die Holding-GmbH ein. Die Beteiligungsquoten von Vater und Sohn bleiben unverändert.
Der Sohn wird durch die Einlage des Vaters (zivilrechtlich) nicht unmittelbar bereichert. Die Einlage erhöht jedoch den Wert der GmbH und führt zu einer reflexartigen Bereicherung des Sohnes. Dessen Geschäftsanteil an der GmbH ist mangels abweichender Vereinbarung nunmehr € 250.000,-- mehr wert.
Nach alter Rechtsprechung des BFH stellt eine solche, nur mittelbare Bereicherung keine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung des Mitgesellschafters dar (BFH vom 9.12.2009 II R 28/08, BStBl. II 2010, 566). Um die aus dieser Rechtsprechung resultierende (vermeintliche) Besteuerungslücke zu schließen, hat der Gesetzgeber Ende des Jahres 2011 die Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG eingeführt. Nach dessen Satz 1 gilt als Schenkung „auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.“ Der oben dargestellte Beispielsfall fällt nunmehr unter die Fiktion des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG und stellt eine steuerbare Zuwendung dar.
Streitpunkt Bereicherungsabsicht
Schwierigkeiten in der Praxis bereiten jedoch Fälle der verdeckten Einlage, in denen einzelne Gesellschafter oder auch Dritte einer Kapitalgesellschaft möglicherweise unbewusst Vorteile gegen eine zu niedrigere Gegenleistung gewähren.
Abwandlung des obigen Beispiels:
Der Vater verkauft eine Immobilie aus seinem Privatvermögen zu einem Kaufpreis von € 500.000,-- an die Holding-GmbH, an der er und sein Sohn zu jeweils 50 % beteiligt sind. Er geht davon aus, dass es sich um einen fremdüblichen Kaufpreis handelt. Tatsächlich liegt der (später vom Finanzamt ermittelte) Verkehrswert der Immobilie aber bei € 700.000,--. Handelt es sich bei dem auf die Beteiligung des Sohnes entfallenen unentgeltlichen Anteil der Immobilienübertragung (50 % * (€ 700.000,-- ./. € 500.000,--) = € 100.000,--) um eine schenkungsteuerbare Zuwendung?
Umstritten ist dabei, inwieweit zur Verwicklung des Tatbestands als subjektives Tatbestandmerkmal ein Bereicherungswille erfüllt sein muss. Bei extensivem Verständnis der Fiktion würde der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG grundsätzlich bei jedem Geschäftsvorfall, der für eine Kapitalgesellschaft günstig ist, greifen. Im Schrifttum und von einzelnen Finanzgerichten wird daher überzeugend vertreten, dass ein Bereicherungswille erforderlich ist, um einen sonst überschießenden Anwendungsbereich zu verhindern (vgl. FG Münster vom 23.5.2024 3 K 2585/21 Erb, EFG 1619; Sächsisches FG vom 6.5.2021 8 K 31/21, EFG 2022, 1114; HANNES/HOLTZ in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl., 2021, § 7 Rz. 171). Auch Systematik und Wortlaut sprechen für diese Sichtweise, da der Gesetzestext die mit subjektiven Elementen konnotierten Begriffe „Zuwendender“ und „Bedachte“ verwendet und der Satz 2 des § 7 Abs. 8 ErbStG mit „Freigebig sind auch“… eingeleitet wird. Gerade das Urteil des FG Münster aus diesem Jahr (FG Münster vom 23.5.2024 3 K 2585/21 Erb, EFG 1619) hat die Hoffnung bestärkt, dass sich diese Auffassung durchsetzt.
BFH setzt keine Freigebigkeit voraus
Die Hoffnung währte jedoch nur kurz. Mit Urteil vom 10.4.2024 hat der BFH (Az. II R 22/21, DStR 2024, 2116) sich explizit der Gegenauffassung angeschlossen und statuiert, dass der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG anders als der schenkungsteuerliche Grundtatbestand keinen Bereicherungswillen erfordert.
Die Entscheidung des BFH ist kritisch zu sehen (vgl. auch die Urteilsanmerkung von BINNEWIES, GmbHR 2024, 1170). Zum einen ist es aus der Sicht der Rechtsfortentwicklung bedauerlich – womöglich aber dem engen zeitlichen Abstand der Entscheidungen geschuldet –, dass der BFH sich nicht mit der Rechtsprechung des FG Münster auseinandergesetzt hat. Zum anderen ist aus dogmatischer Sicht die Begründung des BFH nicht frei von Widersprüchen. So führt der BFH zunächst aus, dass allein die objektive Werterhöhung durch eine Leistung des Zuwendenden eine Steuerbarkeit begründet. An anderer Stelle räumt der BFH jedoch ein, dass eine Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG grundsätzlich aber nicht vorliege, wenn „die Parteien in nachvollziehbarer Weise und unter fremdüblichen Bedingungen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Leistungen insgesamt ausgeglichen sind, […] [auch] wenn sich dies anhand später gewonnener besserer Erkenntnis als unzutreffend erweist“ Damit greift der BFH im Ergebnis doch wieder auf ein subjektives Element zurück, was er zuvor negiert hat. Dadurch zeigt sich uE, dass die Feststellung einer steuerbaren Zuwendung ganz ohne Berücksichtigung des Willens bzw. der Vorstellungen nicht gelingen kann und eine (einschränkende) subjektive Tatbestandsseite somit unverzichtbar ist.
Für die Abwandlung des Beispielfalls ist nach der neuen BFH-Rechtsprechung aufgrund der objektiven Unausgeglichenheit von Kaufpreis und Verkehrswert der Immobilie grundsätzlich von einer steuerbaren Schenkung zugunsten des Sohnes auszugehen – auch wenn der Vater diesen tatsächlich gar nicht bereichern wollte. Für die Gestaltungs- bzw. Abwehrberatung bleibt nur die Möglichkeit tunlichst nachvollziehbar und detailliert zu dokumentieren, auf welcher Grundlage von einem fremdüblichen Kaufpreis ausgegangen wurde.
Beraterhinweis
Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung das – wenig überzeugende – BFH-Urteil vom 10.4.2024 dankbar aufgreift und Fälle disquotaler bzw. verdeckter Einlagen noch weiter in einen schenkungsteuerlichen Fokus rückt. Die drohenden Schenkungsteuerfestsetzungen können im Einzelfall empfindlich hoch sein. Denn mit dem Urteil hat der BFH zugleich klargestellt, dass die Steuerbegünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG im Rahmen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG keine Anwendung finden.
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